Nachstehende Photos meiner Vorfahren mögen dem Betrachter eine Vostellung vermitteln, wie sich damals der Mensch im " Sonntagsstaat " photografieren ließ, um sein Konterfei einmal den Nachfahren hinterlassen zu können. In der Tat hat nun heute einer ihrer Nachfahren auch ihre Photo in dieser Homepage veröffentlicht. Was werden sie sich irgendwo im unendlichen Kosmos freuen, dass nun praktisch alle Welt sehen kann, was für stattliche Leute sie einst gewesen sind und was für tolle Vorfahren der Autor Günter Sieling gehabt hat. Als diese Photos vor etwa 150 Jahren mit viel Mühe gemacht wurden, hätten sie sich das nicht einmal im Traum vorstellen können.
Sie posierten meist in starrer Haltung vor der großen Holzkamera, hinter der ein Photograf stand, der ein großes schwarzes Tuch über Kopf und Kamera gelegt hatte, damit er bei geöffnetem Kameraverschluß den Ausschnitt und die Schärfe des Photos auf der Mattscheibe besser einstellen konnte. Wenn alles stimmte, durfte sich die Person nicht mehr bewegen. Der Photograf schloß mit einem Drahtauslöser den Verschluss und steckte an Stelle der Mattscheibe nun eine lichtdichte Kassette, in der sich die lichtempfindliche Glasplatte im Format 9 x 12 cm befand, in den Schlitz hinein und zog einen Schieber der Kassette nach oben heraus, so dass die Negativplatte durch das Objektiv der Kamera belichtet werden konnte. Sodann drückte der Photograf den Knopf des Drahtauslösers, öffnete damit den Verschluss des Objektivs und zählte laut "einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiunsdzwanzig". Dann drückte er erneut auf den Drahtauslöser, um den Verschluss zu schließem, drückte den Schieber wieder nach unten und entnahm die jetzt wieder lichtdichte Kassette der Kamera. Erst jetzt durfte die portraitierte Person wieder atmen und sich bewegen.
Später wurde die Negativ-Glasplatte in einer Dunkelkammer bei dunkelrotem LIcht der Kassette entnommen und in einer viereckigen kleinen Glasschale in einem Hydrochinonbad entwickelt. Dabei schwärzten sich die vom Licht der Kamera getroffenen Stellen je nach Lichteinfall mehr oder weniger schwarz. Da die Emulsion auf der Glasplatte für die Farbe rot nicht empfindlich war, konnte der Laborant bei rotem Licht sehen, wie sich langsam das Negativ aufbaute und im richtigen Moment die Entwicklung beenden. Da es zur Zeit meiner Urgroßeltern noch kein elektrisches Licht gab, benutzte der Fototgraf eine Laterne oder Petroleumlampe mit roten Scheiben. So entstand ein Negativ, das anschließend durch ein weiteres Bad fixiert und damit lichtunempfindlich wurde. Nach längerer Wässerung wurde die Negativplatte auf einem kleinen Holzgestell getrocknet. Dann erst konnte das eigentlichem positive Bild erstellt werden
Hierfür wurde das anfangs noch recht unempfindliche Photopapier zusammen mit dem Glasnegativ in einen Rahmen eingelegt und dann unter Kontrolle dem Sonnenlicht ausgesetzt, bis das Bild die richtige anfangs noch dunkelbraune Färbung angenommen hatte. Dann wurde es fixiert, gewässert und schließlich mit einer Wäscheklammer an einer Schnur befestigt und luftgetrocknet. So entstand nach mühseliger Prozedur ein einzelnes Bild. Von dem Glasnegativ konnte mann natürlich nach und nach weitere Bilder anfertigen. So entstanden auch die nachstehenden Bilder meiner ältesten Vorfahren.
150 Jahre später erstellt der Mensch sekundenschnell die tollsten Farbphotos ohne Entwicklungs- und Fixierbäder. Zu Tausenden werden sie auf einem winzigen Speichermedium gespeichert, dass kleiner ist als eine Briefmarke. Dort lagern sie wohlbehalten viele Jahre. Die Wahrscheinlichkeit, ein bestimmtes Bild aus dieser Unmenge wiederzufinden, schwindet von Jahrn zu Jahr. Die vielen Millionen Fotos werden nur noch einen Wert haben, solange sie aktuell sind und schon bald in Vergessenheit geraten, denn es wird immer schwieriger werden, aus der Unmenge erstellter Fotos ein bestimmtes Foto wiederzufinden. Wenigstens das von der Kameraautomatik festgehaltene Aufnahmedatum wird uns bei der Fahndung nach einem bestimmten Foto hilfreich sein.